Pohltherapie®


Vieles ist machbar

Dr. Ulrike Scheffler-Seibold (Anästhesistin und Schmerztherapeutin) im Interview mit Tilo Mörgen

Guten Tag Ulrike. Du bist Ärztin und Pohltherapeutin. Wie kommt es zu dieser doch ungewöhnlichen Kombination zweier Berufe?
Ich bin ursprünglich ja Anästhesistin gewesen und ich war einige Jahre in einer Schmerzambulanz und Schmerztagesklinik tätig. Dort hatte ich eine sehr gute Physiotherapeutin gehabt. Wir haben gut zusammengearbeitet, aber wir haben irgendwann gemerkt, die Leute kommen und sie gehen mit weniger Beschwerden. Aber sie kamen dann nach drei Monaten wieder. Warum geht der Patient und kommt mit denselben Beschwerden wieder?

Der Patient hatte also nicht langfristig was davon.
Und dann haben wir beide angefangen uns zu überlegen, woran liegt das? Das Thema Körperbewußtsein: Das war für mich in der Folge der Schlüssel. So kam ich auf die Pohltherapie als einer guten Ergänzung meiner therapeutischen Arbeit. Funktionelle Anatomie ist nicht gerade die Domäne der Ärzteausbildung.

Da haben also Leute Schmerzen, Beschwerden gehabt und Dir war aufgefallen, dass es dann ein Verhalten gab, welches die erfolgreiche Behandlung noch mal verschlechtert?
In der Zusammenarbeit mit der Physiotherapeutin habe ich gelernt, es gibt ganz viele Haltungsprobleme. Wir haben angefangen daran zu arbeiten, also nicht nur zu behandeln, zu massieren, Übungen zu machen, Sport zu initiieren, sondern wir schauten darauf, was machen denn die Leute im Alltag?

Du hast gesagt, du kommst aus der Anästhesie oder der Schmerztherapie, aber du arbeitest auch in der Palliativmedizin. Das klingt nach schweren Fällen, nach schwieriger Arbeit, die du da tagtäglich verrichtest. Welche Unterstützung gibt dir hier die Pohltherapie für deine Patienten, ist das manchmal eine zusätzliche Hilfe?
Eher weniger, in der Palliativmedizin haben die meisten Patienten keine Kraft mehr, noch viel zu machen.
Unter diesen Umständen arbeite ich dann eher mit der Akupunktur, mit der TCM, mit anderen Methoden, aber nicht mehr mit der Pohltherapie. Vielleicht zu Beginn der schweren Erkrankungen: Ich habe eine Patientin mit Knochenmetastasen gehabt, die wollte tatsächlich an ihrer Muskelverspannung, an ihrer Haltung etwas ändern und ist zu mir in die Praxis gekommen. Eine Zeit lang, bis ihr Karzinom dann fortgeschritten ist, hat es gutgeklappt. Sie hatte ein bisschen Erleichterung. Die Schmerzen bei Knochenmetastasen zwingen dich oft in eine Fehlhaltung und das zu lockern, das war schon hilfreich für sie. Aber das ist eher selten.

Bei der Palliativmedizin sind also für Dich die Grenzen der Pohltherapie erreicht. Gibt es denn außerhalb des Bereichs der Palliativmedizin Fälle, die dich selbst beeindruckt haben bzw. überrascht haben in ihrer Wirkungsweise bei der Anwendung der Pohltherapie?
Ich hatte eine Patientin, die eine Umstellungsosteotomie und beidseits eine Hüft-Tep hatte. Sie hatte einen unglaublich schweren, schwankenden Gang. Niemand hatte ihr gesagt, was möglich wäre. Ursprünglich war ihre Haltung: Ja, das ist jetzt halt so, da kann man nichts mehr tun.
Später entdeckte sie die Pohltherapie. Sie kam in der Folge zu mir voller Begeisterung und froher Erwartung. Und es ist toll geworden. Der Watschelgang verschwand, sie streckte ihr Hinterteil nicht mehr so raus. Toll war auch, dass sie zu Beginn viel optimistischer war als ´ich. Am Anfang dachte ich, Hüft-Tep und Umstellungsosteotomie, da geht nichts. Aber da kann man eine Menge machen. Die Patientin merkte schließlich, ich kann wieder normal gehen.
Ansonsten ist die Pohltherapie für mich ein Stück weit Ausgleich zur klinischen Arbeit. Als Ärztin habe ich somit Patienten, die freiwillig kommen, die suchen und sich oft vorab informieren. Die sind nicht mit Überweisung geschickt, sondern kommen, weil sie selbst etwas tun wollen.
Das ist ein fabelhafter Ausgleich für mich.

Was würdest du denn wünschen, was Ärzte über Pohltherapie denken könnten?
Die Pohltherapie könnte eine super Ergänzung sein. Als Arzt oder Ärztin, sitzt du oft vor Patienten, wo du denkst, „ich weiß nicht, was Sie haben“. Ich habe viele Patienten, die kommen und sagen, mein Hausarzt oder mein Orthopäde oder wer auch immer hat gesagt, ich kann nichts für sie tun. Was heißt denn zum Beispiel „Kloß im Hals“ oder „Beckenbeschwerden“, wenn es keinen schulmedizinischen Befund gibt, wo kann ich denn da ansetzen? Ich denke, der Methodenkoffer der Pohltherapie und die spannende Beachtung der funktionellen Anatomie wäre für Ärzte eine tolle Erfahrung.

Du meinst, zusätzlich zu der ordentlichen ärztlichen bzw. fachärztlichen Diagnostik könnten Ärzte und Ärztinnen schwer erklärbare Beschwerden in ihrer funktionellen Dimension besser verstehen?
Absolut, ja, weil sonst bist du hilflos. So habe ich mich in der Schmerztherapie gefühlt. Und so fühlen sich die Patienten. Wenn sie dann gesagt kriegen,“ gehen sie zum Psychiater“, dann wird es ja noch schlimmer.

Herzlichen Dank für das Interview.

©2024 Tilo Mörgen (Diplom Soziologe, Pohltherapeut, Fachautor für GesundMove der Praxis Bruckmann) interviewte die Anästhesistin, Schmerztherapeutin und Pohltherapeutin Dr. Ulrike Scheffler Seibold

  • Die Hüft-Tep (Hüft-Totalendoprothese) ist ein künstliches Hüftgelenk. 

  • Eine Umstellungsosteotomie ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem ein Knochen durchtrennt und anschließend osteosynthetisch versorgt wird.

  • TCM: Zu den therapeutischen Verfahren der TCM zählen die chinesische Arzneimitteltherapie, die Akupunktur, Erwärmung von Akupunkturpunkten, Massagetechniken wie Shiatsu und Bewegungsübungen wie Qigong und entsprechend angepasste Ernährung.

  • Pohltherapie®: Eine Methode und 5 Verfahren: Pandiculations nach Thomas Hanna, Aktive Schmerzpunktbehandlung, sensomotorische Übungen, Körperbewusstseinstraining, Bindegewebsbehandlung der Haut und Unterhaut (vgl. https://www.pohltherapie-stiftung.de – Stand: 18.5.24)