Pudendusneuralgie in der Fachliteratur

Geschrieben am 09.12.2023
von Renate Bruckmann


Die Pudendusneuralgie in der Fachliteratur

Benninghoff und Drenckhahn schreiben, dass eine Läsion des Nervs eine Funktionsuntüchtigkeit der Schließmuskeln von Blase und Anus verursachen könne sowie Störungen der Geschlechtsfunktion. (Benninghoff & Drenckhahn, 2014). Probleme bei den Sphinktermuskeln (Wind- und Stuhlinkontinenz, Harn- und Belastungsinkontinenz) werden genannt. (Tanzberger, 2013)

  • Die Autoren im Prometheus berichten über folgende Beschwerden: Funktionsverlust des Beckenbodens einschließlich der Schließmuskeln von Blase und Darm (Harn und Stuhlinkontinenz) sowie einer Störung der Geschlechtsfunktionen, z. B. Impotenz beim Mann (Schünke, Schulte, Schumacher, Voll, & Wesker, 2019).
  • Laut Travell und Simons können Schmerzen im Damm, sexuelle Funktionsstörungen und Dyspareunie der Frau; Potenzstörungen und Schmerzen in der Leiste entstehen (Travell & Simons, 2000). Bis auf die Leistenschmerzen sind dieser Meinung auch andere Autoren, wobei die beschriebenen Schmerzqualitäten unterschiedlich dargestellt werden. (Roche, Dembe, Karenovics, Robert-Yap, & Cahana, 2005)
  • Die Autoren (Roche, Dembe, Karenovics, Robert-Yap, & Cahana, 2005) berichten, dass Frauen doppelt so häufig von „Pudendusneuropathie“ betroffen sein sollen. Die Symptome werden beschrieben mit Parästhesien, Schmerzen (manchmal einfahrend, wie elektrisch), die bei Druck, etwa beim Sitzen zunehmen, Brennen, Fremdkörpergefühl im Rektum, Schmerzen, die bis in die Organe ziehen können.
  • Andere schreiben, dass es Druckläsionen des Pudendusnerves gebe, diese jedoch akut auftretende Taubheit am Damm und im Genital auslösen (habe ich selbst bei langen Radtouren und schlecht angepassten Sätteln erlebt), sowie evtl. Blasen- und Mastdarmentleerungsstörungen, Ejakulationsprobleme. Durch das Einnähen des Nervs an das Lig. Sacrospinale im Rahmen einer Kolpopexie (bei der das Scheidenende fixiert wird) soll es weiterhin zum Pudendus-Schmerzsyndrom kommen. Außerdem durch Obstipation und Geburtsverletzungen, hier soll es aber typisch eher zu motorischen Ausfällen kommen, seltener zu sensiblen, Schmerzen entstünden dabei nicht (Wiesner & Jost, 2003).

Schulmedizinische Diagnostik und Therapie der Pudendusneuralgie

Durch neurologische Untersuchungsmethoden (Messung der Latenzzeit, Elektromyogramm soll eine Diagnose gestellt werden, alle Autoren beschreiben diese jedoch als schwierig. (Jost, 1997), (Wiesner & Jost, 2003) (Holtkamp, 2007)

In der Regel wird eine Infiltration mit Kortikoiden und Lokalanästhetika unter radioskopischer Kontrolle durchgeführt. Diese Punktionen werden an sog. Kompressionsstellen im Verlauf des Nervs, meistens im Bereich des Alcock-Kanals durchgeführt. Wenn dadurch die Beschwerden vorübergehend verschwinden, gilt das als beweisend für die Diagnose Pudendusneuralgie. Gleichzeitig wird die Punktion als therapeutische Möglichkeit genutzt, sie kann aber nicht auf Dauer durchgeführt werden, da die Patienten in der Regel mit der Zeit immer schwächer darauf ansprechen.

Die Autoren (Roche, Dembe, Karenovics, Robert-Yap, & Cahana, 2005) berichten von 60 Prozent der Patientengruppe (112 Patienten gesamt), bei denen die Infiltration eine Besserung ergeben habe. Dadurch sei eine Indikation für eine chirurgische Dekompression (Neurolyse) gegeben. (Roche, Dembe, Karenovics, Robert-Yap, & Cahana, 2005). Bei der chirurgischen Dekompression werden über den Damm, die Vagina oder durch den Glutaeus (meistens)operiert. Aufgrund der Erfahrung einer „sprunghaften Zunahme der Schmerzen“ nach der OP wird von den Autoren ein lang wirkendes Schmerzmittel in den Nerv eingebracht. Insgesamt sollen 65 – 80 Prozent der Patienten, die auf die vorher durchgeführte Infiltration positiv reagiert haben, von der OP profitiert haben. In mehr als dreißig Prozent war keine Verbesserung eingetreten. Die Verbesserung soll sehr langsam eintreten (innerhalb eines Jahres). (Roche, Dembe, Karenovics, Robert-Yap, & Cahana, 2005)

Andere Autoren (Holtkamp, 2007) berichten von schlechteren Ergebnissen. Allerdings wurden hier nur Patienten operiert bei denen die o.g. Pudendusblockade keinen Erfolg zeigte. In seiner Dissertation berichtet der Autor von 31 Operierten, von denen bei 22 eine Katamnese durchgeführt werden konnte. Bei 10 Patienten ergab sich eine deutliche Verbesserung (auf der Skala von 0 bis 10 um etwa 5 Punkte), bei 8 Patienten ergab sich keine Veränderung, und 4 Patienten erlitten eine Verschlechterung.

Ursachen gemäß der Fachliteratur

Als seltene Ursache gelten: Beckenfrakturen, Tumore, Radiotherapie, diese Ursachen wurden in der Regel bei unseren Patienten vor ihrem Besuch bei uns ausgeschlossen. Weiter werden besprochen, tiefe Hämatome durch Injektionen, Schädigungen des Nervs durch Herpes zoster, Geburtsverletzungen (z. B. bei Dammverletzungen). (Schünke, Schulte, Schumacher, Voll, & Wesker, 2019) (Roche, Dembe, Karenovics, Robert-Yap, & Cahana, 2005) (Holtkamp, 2007). Starkes Pressen bei der chronischen Obstipation soll ebenfalls eine Kompression verursachen können. (Tanzberger, 2013) (Holtkamp, 2007) (Wiesner & Jost, 2003).
Außerdem langes Radfahren (Holtkamp, 2007) (Roche, Dembe, Karenovics, Robert-Yap, & Cahana, 2005), (Wiesner & Jost, 2003) oder Reiten.

Diese Faktoren sollen durch mechanische Druck- und Zugbelastungen eine Kompression oder eine Überdehnung des Nervs verursachen und die Beschwerden auslösen. Außerdem soll durch die Schädigung des Gewebes eine lokale Entzündung ausgelöst werden, die ein Ödem mit sich bringt, das den Nerv dann im Alcock-Kanal beengt. (Holtkamp, 2007)

Verspannungen als Ursache

Kompressionssyndrome oder Entrapment-Syndrome kennen wir bereits von anderen Muskeln, zum Beispiel eine Kompression des Ischiasnervs durch einen verspannten Piriformis-Muskel. Ein chronisch verspannter Piriformis-Muskel könnte auch eine Kompression des Pudendus-Nervs auslösen (Travell & Simons, 2000) (Roche, Dembe, Karenovics, Robert-Yap, & Cahana, 2005), da er unterhalb des Piriformis verläuft. Verspannungen im Piriformis können neben den chronisch außenrotierten Beinen des Startmusters auch durch Sport, zum Beispiel durch schnelle Richtungswechsel bei Tennis, Handball und anderen Ballspielen, entstehen. Lange Meditationen oder ständiges Sitzen im Schneidersitz können Verspannungen im Piriformis auslösen (oder dem Obturatorius internus) Außerdem soll langes Sitzen Triggerpunkte im Piriformis aktivieren. (Travell & Simons, 2000), (Davies) Nach dem Verlauf des Muskels wäre es außerdem denkbar, dass eine Verspannung des Oburatorius internus, die Druck auf den Alcockkanal ausübt und die Faszie des Oburatorius internus verfestigt, so dass Druck und Minderdurchblutung im Bereich des Nervs entstehen könnte. Diese Erklärung wäre analog zu der von (Holtkamp, 2007) zu sehen. Auch der M. Coccygeus und das ihn bedeckende Ligamentum sacrospinale könnten infrage kommen.

vgl. auch Pudendusneuralgie: Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Renate Bruckmann

Literaturverzeichnis

Benninghoff, & Drenckhahn, D. (2014). Taschenbuch Anatomie. München: Elsevier.
Holtkamp, R. (2007). Pudenduskompression - Klinische Erfahrungen eines Therapiekonzepts bei chronischen analen Schmerzen. Recklinghausen: Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Hohen Medizinischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Jost, W. (1997). Neurologie des Beckenbodens. Weinheim: Chapman & Hall GmbH.
Roche, B., Dembe, J.-C., Karenovics, W., Robert-Yap, J., & Cahana, A. (2005). Pudendusneuralgie. Coloproctology, 27(Nr. 3).
Schünke, M., Schulte, E., Schumacher, U., Voll, M., & Wesker, K. (22.. April 2019). https://eref.thieme.de/ebooks/2322754? anchor = im2322691#/ebook_2322754_SL87180129. Von https://eref.thieme.de/ebooks/2322754? anchor = im2322691#/ebook_2322754_SL87180129 abgerufen Tanzberger, R. (2013). Entleerungsstörung Obstipation. In Der Beckenboden - Funktion, Anpassung und Therapie (S. 237 - 239). München: Elsevier.
Travell, J., & Simons, D. (2000). Handbuch der Muskeltriggerpunkte (1. Auflage Ausg.). München: Elsevier.
Wiesner, A., & Jost, W. (2003). Der chronische Beckenbodenschmerz aus der Sicht der Neurologie. In W. Merkle (Hrsg.), Der chronische Beckenbodenschmerz - CPPS (S. 83-89). Darmstadt: Steinkopff.