Bauchoperationen - Vorbereitung und Nachsorge

Geschrieben am 30.09.2024
von Tilo Mörgen


Ein Gespräch der PohltherapeutInnen Renate Bruckmann und Tilo Mörgen mit der Fachärztin Dr. med. Petronela Monticelli-Mayer (Ästhetische Medizin, Gefäßchirurgie, Mikrochirurgie und Onkochirurgie) und Prof. Dr. med. Hajo Schneck (Anästhesie)

DR. MED. PETRONELA MONTICELLI-MAYER: Ich habe gemerkt, dass Patienten*innen nach Bauchoperationen oft nicht gut atmen und die subjektive Befindlichkeit, schlechter ist, als sie sein müsste. Ich frage mich daher, ob sie vor der Operation und vielleicht danach etwas tun könnten, was sie vorbereitet oder ihnen nach der OP hilft. 

RENATE BRUCKMANN: Was beobachtest du bei den Betroffenen?

DR. MED. PETRONELA MONTICELLI-MAYER: Nach der OP habe ich den Eindruck die Patienten schonen sich sehr. Da die frische Naht unter Druck ist, lernen sie auch sich anders aufzurichten im Bett. Sie müssen dann mit den schrägen Bauchmuskeln aufstehen, dürfen sich nicht so vom Rücken nach vorne aufrichten. Das sind anfangs sonst zu starke Scherkräfte.

RENATE BRUCKMANN: Wahrscheinlich führen die postoperativen Beschwerden und die Anweisung, die Muskeln nicht zu benutzen zu Schonhaltungen. Und einer Anspannung der gesamten Bauchdecke, so dass dadurch die Atmung behindert wird. 

DR. MED. PETRONELA MONTICELLI-MAYER: Ja, die Patienten spüren oft erst nach der OP, dass der Bauchmuskel eigentlich bei sehr vielen Bewegungen aktiv wird und trauen sich dann gar nicht, sich zu bewegen. Die Schonung der Patienten undf Patientinnen kann dann aber zu einer regelrechten muskulären Amnesie der Bauchmuskeln führen, die ja auch Atemmuskeln sind. Manche fangen daher an, die Bauchatmung wegzulassen.

RENATE BRUCKMANN: Wahrscheinlich wirkt sich die Schonhaltung nicht nur auf den geraden, sondern auch auf die schrägen Bauchmuskeln, den Iliopsoas und das Zwerchfell aus. Dann verschlechtert sich automatisch die Atmung und die Betroffenen geraten in eine latente Hyperventilation. Und damit fühlen Sie sich natürlich auch nicht vital und munter. 

DR. MED. PETRONELA MONTICELLI-MAYER: Was könnte man vor der OP machen, damit das weniger passiert?

RENATE BRUCKMANN: Man könnte sie lehren, den Brustkorb mehr in die Atembewegung einzubeziehen, weniger indem sie eine Hochatmung praktizieren, mehr im Sinne von Übungen, die den Brustkorb und das Zwerchfell bewegen, aber die Bauchmuskeln entlasten, damit die Einschränkung dort weniger die Atmung beeinträchtigt. Zum Beispiel zeigen, wie sie die Rippen beim Einatmen heben können und den Brustkorb ausdehnen, ohne dass dabei ein Zug auf die Narbe entsteht. 

DR. MED. PETRONELA MONTICELLI-MAYER: Wenn man die Bauchdecke näht, bei einer Bauchdeckenstraffung zum Beispiel, näht man in drei Schichten, die Scarpa-Faszie in der Tiefe, dann die Unterhaut-Naht und dann noch eine Hautnaht. Es wäre nicht gut, wenn noch zusätzliche Spannung auf die Naht auftritt. 

PROF. DR. MED. HAJO SCHNECK: Die Hautnaht dürfte das geringste Problem sein…

DR. MED. PETRONELA MONTICELLI-MAYER: Klar, die Hautnaht hält ja keine Spannung. Die Spannung hält diese tiefe Naht der Scarpafaszie. Auch bei der Fasziendopplung taucht das Problem auf -  bei der Rektusdiastase. Die tiefe Naht macht dann das Problem.

TILO MÖRGEN: Präoperativ würde ich vorher den Psoas lockern mit der Übung „unterer Rollenstreck“. Das kann helfen.

RENATE BRUCKMANN: Du brauchst nur eine Faszienrolle dafür. Das kannst du sogar mit den Patienten einmal auf der Liege machen. Das dauert drei Minuten und sie merken oft sofort einen Effekt, dass das Becken flacher liegt und sie weniger Hohlkreuz haben.

TILO MÖRGEN: Und was ich auch vorher noch machen würde, wäre die schrägen Bauchmuskeln mit der Verwringung ganz gemütlich lösen lernen. Übungen machen und dabei ganz langsam atmen.

PROF. DR. MED. HAJO SCHNECK: Und den Pectoralis auch noch, und das wäre ja auch gut fürs Atmen?

RENATE BRUCKMANN: Ja, ein wichtiger Hinweis: Wir, und viele andere Therapeuten/innen legen den Fokus auf die Bauchatmung - immer Bauch,  Bauch bei der Atmung. Aber eigentlich gibt es auch eine Menge Leute, die sich im Brustkorb überhaupt nicht bewegen können. Oder nur dorthin atmen, wenn sie den Sternocleido* und die Scaleni* nehmen und dann hochatmend den Brustkorb mit den oberen Rippen ziehen. Das reicht nicht aus. Da ziehst du ja nur die ersten zwei Rippen hoch. Dabei bewegt sich nicht der mittlere Brustkorb.
Deshalb sind lockere Muskeln wie Serrati, Pectoralis, Intercostales und bewegliche Rippenwirbelgelenke wichtig. 

TILO MÖRGEN: Dafür gibt es den oberen Rollenstreck. Eine einfache und kurze Übung. Etwas komplexer, aber sehr effektiv ist die Übung „Wandstreck“. Langsamkeit bei den Übungen ist entscheidend, kein Sportprogramm. Dazu Bauchatmung zusammen mit einer Beckenbewegung üben. Das entspannt präoperativ das Gewebe.

DR. MED. PETRONELA MONTICELLI-MAYER: Ja, also präoperativ vorher die Brustatmung üben, die Brustkorbmuskeln, und Bauchmuskeln sowie den Psoas lockern. 
Nach der Operation sage ich den Patientinnen und Patienten, sie sollen die Bauchdecke ungefähr sechs Wochen nicht anspannen. So lange braucht die Narbe, bis sie sich stabilisiert. Manche sagen ja, zwei Wochen reichen. Ich bin da ein bisschen altmodisch - sechs Wochen. Was könnte man aus Eurer Sicht postoperativ machen?

RENATE BRUCKMANN: Schon direkt nach der OP könnte man beginnen mit sanften Wahrnehmungsübungen, die Hände seitlich auf den Brustkorb oder den Bauch legen und dort versuchen Atembewegung zu erspüren. Wenn das keine Beschwerden macht, beim Einatmen sanft gegen die Hände zu drücken mit dem Brustkorb und den Flanken oder dem Bauch. Spüren, wie der Rücken an der Atembewegung beteiligt ist. Das kann helfen, Atemeinschränkungen zu vermeiden, bevor sie unbewusst chronisch werden. 
Allmählich könnte man dann versuchen, im Liegen Drehbewegungen zu machen, also zum Beispiel die Verwringung oder das Schulterviereck. 
Man könnte nach der Operation auch am Rücken ansetzen, so dass die Rückenwirbelgelenke lockerer wären und dann von hinten sich mehr Atmung ergibt. Das könnte ebenfalls die Bauchdecke entlasten. Wenn sie den Psoas fest haben, ist ja über die Verbindung der hinteren Zwerchfellaufhängung und vom Psoas her die Atmung eingeschränkt. 

TILO MÖRGEN: Nach sechs Wochen sollten die Betroffenen ein Übungsprogramm zum Mitmachen aufnehmen, wie es im Grundprogramm oder der App gezeigt wird. So kann verhindert werden, dass entstandene Schonhaltungen und Bewegungseinschränkungen chronisch werden. 

RENATE BRUCKMANN: Therapeutisch könnte man beginnen, das Gebiet um die Narben herum mit einer Bindegewebsbehandlung zu lockern, das entspannt die Narbe. Bauchnarben entwickeln oft regelrechte „Platten“, die man in der Tiefe spüren kann. Kaiserschnitt-Narben zum Beispiel können deswegen auch vermeintliche Blasenprobleme erzeugen. Bei Atemeinschränkungen beobachtet man, wo es sich nicht bewegt, und behandelt dort. 

DR. MED. PETRONELA MONTICELLI-MAYER: Gibt es eigentlich auch besondere fasziale Ernährung?

TILO MÖRGEN: Robert Schleip empfiehlt im Prinzip gesunde Ernährung – wenig Fleisch, vielfältiges Gemüse, Nüsse. In einer Rundfunksendung vom April empfiehlt er außerdem einen Löffel voll Kollagen ins Müsli zu tun.

PROF. DR. MED. HAJO Das halte ich für fragwürdig, da ein vom Darm aufgenommenen Eiweiß in der Leber zerlegt wird in die einzelnen Aminosäuren. 

TILO MÖRGEN: Dann bleiben gesunde Ernährung, und die effektiven Übungen, um die Atmung und damit die Befindlichkeit zu verbessern. Das mindert auch die potenziellen Rückenschmerzen, die postoperativ durch langes Liegen und Schonhaltungen entstehen. Das präoperative Übungsprogramm wurde ja schon genannt, die APP GesundMove enthält zudem erklärende Videos zu Selbstbehandlung von Faszien und Muskeln (hier Brust- und Nackenfaszien, Brustmuskel), die auch in der 6-wöchigen Wartezeit durchgeführt werden könnten.


Bauchoperationen - Vorbereitung und Nachsorge mit GesundMOVE könnten helfen, Probleme zu vermeiden

Vor der OP:

Übungen wie der obere Rollenstreck, unterer Rollenstreck, Bauchatmung mit Beckenbewegung, der Wandstrecker, die Verwringung und die Zwerchfellübung wären hier eine gute präoperative 5-8 minütige Vorbereitung, zusätzlich die Selbstbehandlung des Bindegewebes an den seitlichen Bauchmuskeln jeweils 2 Minuten. Und abschließend Ausschwingen mit dem „Korkenzieher“ (1 Min).

Direkt nach der OP 

Wahrnehmungsübungen: die Hände seitlich auf den Brustkorb oder den Bauch legen und dort versuchen Atembewegung zu erspüren. Wenn das keine Beschwerden macht, beim Einatmen sanft gegen die Hände zu drücken mit dem Brustkorb und den Flanken oder dem Bauch. Spüren, wie der Rücken an der Atembewegung beteiligt ist. Das kann helfen, Atemeinschränkungen zu vermeiden, bevor sie unbewusst chronisch werden. 

Nach einiger Zeit (Rücksprache mit dem Operateur nehmen) könnte man dann versuchen, im Liegen Drehbewegungen zu machen, also zum Beispiel die Verwringung oder das Schulterviereck. So kann sich der Spielraum Tag für Tag erweitern. 

Postoperativ nach 6 Wochen: 

Der obere Rollenstreck, unterer Rollenstreck, Bauchatmung mit Beckenbewegung, der Wandstrecker, Verwringung und die Zwerchfellübung und zusätzlich die Selbstbehandlung des Bindegewebes an den seitlichen Bauchmuskeln jeweils 2 Minuten. Und abschließend Ausschwingen mit dem „Korkenzieher“ (1 Min).