Ein Symbolologe löst mit einer Kryptologin einen Mord und entdeckt eine Verschwörung um ein religiöses Geheimnis. Nein – das war der Da-Vinci-Code. Hier ist es der Faszienforscher Robert Schleip, der zusammen mit Heike Oellerich und Miriam Wessels Mythen um die Faszien entzaubert und konkrete Hilfen und Tipps liefert. Der Faszien-Code ist anschaulich, verständlich geschrieben. Sie erfahren in guten bildlichen und grafischen Darstellungen wie Sie Beschwerden angehen können oder noch besser, wie Sie diese aufgrund unserer Alltagsbelastungen, viel besser vermeiden können.
Märchen und Mythenfiguren werden entzaubert
2015 – ich besuchte einen Faszien-Lehrgang bei Robert Schleip und hörte wie er zwei genetische Konstitutionstypen unterschied: Er unterschied Wikinger und Schlangentänzer. Gemeint waren Grundtypen myofaszialer Grundformen: feste, robuste und stabile Muster wie auch flinke, zarte, elegante, sensible und bewegliche Modelle. Im neuen Buch „Der Faszien-Code“ werden diese jetzt Wikinger und Elfen genannt. Was wie ein nordisches Märchen klingt, ist dabei eine ernste Schilderung genetisch bedingter Funktionsmodelle myofaszialer Systeme. Diese Typologie meint weder ausschließlich Frauen und Männer noch sind es ausschließlich nordische Typen. Vielleicht hätten die drei Autor*innen – Schleip, Oellerich und Wessels – hier ein wenig mehr über die Bezeichner nachdenken können, dennoch sind die Typisierungen erhellend. So wie wir Typ-1 und Typ2-Muskulatur - diese Bezeichner sind weniger bildhaft - unterscheiden (am schönsten und anschaulichsten machen das dennoch Müller-Wohlfahrt und Eder), können wir nun eben auch beim myofaszialen System klingende, einprägsame Modellbezeichner benutzen. Das ist auch für einen Pohltherapeuten, wie mich, von großer Bedeutung. Dabei sind die Faszien „weder eine leblose träge Hülle, noch ein magisches Heilmittel“. Hier entzaubern die Autor*innen hervorragend und werden dem Titel „Faszien-Code“ gerecht. Verständlich und anschaulich werden wichtige Grundlagen beschrieben – man erfährt etwas zu Dehnfähigkeit und Geschmeidigkeit wie auch über Festigkeit und Stabilität. All das wird von dieser Organstruktur den Faszien und der Baumeisterin - der Fibroblaste, einer fleißigen Zelle - gewährleistet. Und wenn wir dem Humanbiologen weiter folgen, erhalten wir erste Einblicke in die Wechselwirkung zwischen Faszie und Immunsystem.
Stilvoll leben - Lebensstile
In dem Buch erfahren Sie zudem etwas über Stress und Faszien und lernen gleich dazu, was als Selbsthilfe möglich ist. Schön ist, dass dabei in den Fotos gelacht wird. Auch etwas, was sich durch das Buch zieht: Das Thema darf Spaß machen und wer Robert Schleip mal kennenglernt hat, weiß, dass er das immer wieder vermittelt. Und jetzt gleich das ganze Autor*innenteam.
Ernährung und Faszie werden auch nicht vergessen und kurz und klar erläutert. Eine schnelle klare Hilfestellung, die ja dann durch die entsprechenden Rezepte der Ernährungsdocs individuell ergänzt werden kann.
Ganz viele spannende Übungsformen - Action
Ein großes Kapitel widmet sich dann den körperlichen Besonderheiten und Beschwerdebildern. Nicht alle gezeigten Übungen sind jetzt für Jede und Jeden geeignet. Ich würde meinen, solange Sie Ihr Zuhause über eine kurze Treppe gut begehen können, sind die meisten Übungsbeispiele geeignet. Manch eine Übung „trainiert“ quasi nebenbei Muskeln, die unter Umständen schon verkürzt sind und hier anderer Übungsformen bedürften. Da können erfahrene Therapeut*innen aber beraten und helfen. Ein stundenlanges „Trainingsprogramm“ wollen eh nur die wenigsten – meint zumindest der trainingsfaule Rezensent und Pohltherapeut. Das Buch ist ein weiteres Füllhorn guter Übungsmöglichkeiten und bietet erfahrenen Therapeut*innen einen Methodenkoffer, dessen Verschluss mit dem Fasziencode der Autor*innen leicht zu öffnen ist.
Die Faszie: jede Menge, aber Einzahl
Die Faszie ist das verbindende Gewebe im Körper. Ein ganzes Netzwerk. Sie besteht aus Funktionsebenen lässt sich also analytisch voneinander trennen und schafft wie die Autor*innen es nennen "eine dynamische Symbiose aus Flexibilität und Symbiose". Also alles im Fluss wie Heraklit es sich gedacht hat? Wahrscheinlich müssten wir Zenon hinzuziehen, dessen analytisch betrachteter Flug des Pfeils eine unendliche Nichtankunft eines fliegenden Pfeils darstellt, obschon wir ja wissen, dass Gegenstände, die wir werfen, durchaus landen. Die zukünftige Wissenschaft der "Faszie" wird weiterhin mit den kleinen Paradoxien leben und sich gerade deshalb entwickeln.
Zum guten Schluss: Der Vorhang fällt. Applaus.
Als ich die Vorankündigung des Buches las, hoffte ich allerneueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu finden, funkelnagelneue evidenzbasierte Aha-Erlebnisse. Gefunden habe ich - nach einer ersten Enttäuschung - ein hervorragendes Werk, welches ich Patient*innen sehr empfehlen kann, die wissen wollen was man/frau für die Faszien und gegen faszial bedingte Beschwerden tun kann – begleitend zu unseren Behandlungen und ergänzend zu unseren pohltherapeutischen Übungen, die wir in der kostenlosen APP GesundMove zur Verfügung stellen.
In der Medizin und Therapie findet das Fasziensystem immer mehr Beachtung und wird zunehmend in die Behandlung eingebunden. Schleip et.al. kritisiert zusätzlich den mehr oder minder kompetenten Umgang durch Einflußnahme mittels Hartschaumgegenstände beim Thema Faszie . Und auch der Wunsch nach mehr Forschung wird ausgedrückt. Hier fehlen ja Grundlagenforschung trotz Robert Schleip, evidenzbasierte Vorhaben, klinische Studien und qualitative Ansätze. In der Pohltherapie® ist die fundierte Betrachtung und Behandlung der Faszie eine der wichtigsten Säulen der Behandlung, allerdings wird die aktive Entspannung der Muskulatur, wie auch die aktive Behandlung von Schmerzpunkten und das Körperbewußtsein ganzheitlich mit beachtet.
Robert Schleip, Heike Oellerich, Miriam Wessels: Der Faszien-Code, Softcover, 272 Seiten Erschienen: Februar 2024 ISBN: 978-3-7423-2513-6, 24,00 € inkl. MwSt.